Unser Schlaf, Tel 2: Schlaf und Ernährung

Im ersten Teil unserer Schlafserie wurde der Schlafzyklus mit seinen Phasen (Leicht- und Tiefschlaf sowie REM) näher erläutert. Um nun den Einfluss der Ernährung auf unseren Schlaf besser zu verstehen, werden vorab Teilgebiete, welche wiederum eine Rolle bei der Klärung des Einflusses von Ernährung auf den Schlaf spielen, kurz erläutert.

Chronobiologie – ein Fachgebiet der Biologie, auf dem die zeitlichen Gesetzmäßigkeiten im Ablauf von Lebensvorgängen erforscht werden

Die Chronobiologie, als Teilgebiet der Biologie und nachfolgend auch weiterer medizinischer Gebiete, wird erst seit den 1980er Jahren umfangreicher untersucht und infolge etabliert. Daher ist sie ein recht junges Forschungsfeld, erfreut sich dennoch großem Interesse. Um das große Bild der Optimierung von Ernährung und Regeneration zu zeichnen, gilt es, zwei große Hebel zu unterteilen: den Zeitpunkt der Nährstoffaufnahme sowie das Zeitfenster der Nahrungsaufnahme.

Chronophysiologie - die Lehre vom zeitlichen Ablauf der normalen Lebensvorgänge bei Mensch und Tier

In unserem Leben sind wir zudem verschiedenen Zyklen unterworfen. Diese können verschieden lang andauern, man spricht zum Beispiel von circannualer („ungefähr ein Jahr umfassend“) Rhythmik bei Jahreszeiten, infradianer („größer 24 Stunden“) bei dem Zyklus der Frau, ultradianer („kleiner 24 Stunden“) bei verschiedenen Stoffwechselvorgängen und eben, und das ist in diesem Fall die wichtigste Messgröße, von circadianer Rhythmik. „Circadian“ bedeutet eben „ungefähr 24 Stunden umfassend“ und regelt eine Reihe von Vorgängen im Organismus, die wir auch ohne weiteren Hintergrund verstehen und beobachten können, so zum Beispiel unsere Körpertemperatur, das Schmerzempfinden, die Leistungsfähigkeit physischer, motorischer und kognitiver Art, den Schlaf (über die Aktivierung und Deaktivierung von Genen und über die Regulierung von Hormonen), die Insulintoleranz, den Blutzucker und die Hauterneuerung. Auch der Knochenauf- und abbau, die Bildung von Muskulatur sowie der Fettabbau finden im besten Fall eine 24-stündige Rhythmik und ja, das haben wir größtenteils selbst in der Hand!

Um den Bogen zum Schlaf und zur Ernährung zu spannen, sind besonders auch die Hormone Leptin und Ghrelin zu nennen. Leptin reguliert die Fetteinlagerung, kommuniziert infolge Sättigung an unser Hirn und sinkt bei geringer Kalorienaufnahme. Im Umkehrschluss bedeutet ein sinkendes Leptinlevel damit ein steigendes Hungergefühl. Ghrelin hingegen sendet aktiv ein Hungergefühl und sinkt nach Nahrungsaufnahme. Es wird im Magen hergestellt und kommuniziert dann quasi dessen Füllzustand. Durch qualitativ oder quantitativ schlechten Schlaf wird die Produktion und der Workflow beider Hormone beeinflusst: Die Leptinlevel sinken, die Ghrelinlevel steigen sowie ihre Sättigungs- und Hungerkommunikation werden doppelt negativ verschoben.

Chronopharmakologie- ein Teilgebiet der Pharmakologie, das sich mit dem Einfluss der Biorhythmen auf die Wirkung von Arzneimitteln befasst

Was für die Wirkung von Arzneimitteln gilt, ist zudem auch für die Aufnahme und „Wirkung“ von Nahrungsmitteln und Nährstoffen gültig: Es gibt für alles seine Zeit (und damit auch ein Zeitfenster!). Da unsere circadiane Rhythmik zwar unserer Genetik unterliegt, diese allerdings durch äußere Einflüsse täglich einen „Reset“ benötigt, müssen wir verstehen, was unsere Haupt-Zeitgeber sind: Licht, Temperatur und Nahrungszeitpunkte. 

Ein primärer, wenn nicht sogar DER primäre Ansatz zur Verbesserung einer circadianen Rhythmik (damit auch einer Schlaf-Wach-Rhythmik) ist das commitment zur Einhaltung bestimmter Zeitgeber unseres Tages. Unser Kalender sollte nicht nur unsere beruflichen und privaten Termine beinhalten; in erster Linie sollte er unsere Essens-, Trainings- und Schlafzeitpunkte abbilden und diese dann in ihrer Einhaltung zu keiner Diskussion stellen. Nicht nur fast alle unsere Organe, sondern sogar unser Mikrobiom, also die Masse an Bakterienstämmen in unserem Darm, hat seine eigene innere Uhr, die ihre Aktivität bestimmt, sich allerdings auch von außen be- und verstimmen lässt. Zum Beispiel gerade die Leber wird maßgeblich von der Aufnahme von Nahrung gesteuert.

Der Einfluss der Ernährung auf den circadianen Rhythmus und umgekehrt

Einen erwiesenermaßen positiven Effekt, sowohl auf Schlaf als auch auf Regeneration und den Aufbau von Muskelmasse/ den Abbau von Fettmasse, hat das sogenannte TRE (time restricted eating) oder IF (intermittierendes Fasten, intermittent fasting) gezeigt. Die zeitliche Restriktion der Nahrungsaufnahme auf höchstens zwölf (eher acht) Stunden pro Tag, auf die dann logischerweise ein Fastenfenster von mindestens zwölf Stunden folgt, entlastet in erster Linie den Verdauungstrakt, aber eben auch die Leber. Da die Leber hauptsächlich für die Entgiftung unseres Blutes zuständig ist, kann damit eine erhöhte Bindung und umfassender Abtransport von metabolischem Abfall erreicht werden. Außerdem scheint eine zeitlich restriktive Ernährung Auswirkungen auf die Einschlafzeit und Tiefe der N3-Schlafphasen zu haben, was sich wiederum potentiell in körperlicher und cerebraler Regeneration niederschlägt. 

Eine Studie an Mäusen hat gezeigt, dass (entgegen der Erwartung der Forscher) bei den Mäusen, denen nur in einem Zeitfenster von maximal zehn Stunden Nahrung zur Verfügung stand, im Gegensatz zu der Gruppe, denen unbegrenzt Nahrung zur Verfügung stand, nach 36 Wochen eine Zunahme der Muskulatur um 10-15% vonstatten ging.

Für die Rückschlüsse auf die Praxis ist es wichtig zu erkennen, dass IF eine Art der Diät sein kann, um Fett abzubauen – und dass zur Beurteilung des Aufbaus von Muskelmasse vor allem die tägliche Proteinmenge und der Trainingsreiz entscheidend sein wird.

Bezüglich der Einnahme von Nahrungs(ergänzungs)mitteln gilt es zu beachten, dass hier eine Absorption und Nutzung dieser zu unterschiedlichen Zeitpunkten des Tages besser oder schlechter abläuft. 

Beim Stichwort Cortisol und HHN-Achse kann es von Vorteil sein, aufgrund der hormonellen Auswirkungen das Frühstück auf Eiweiße und Fette zu begrenzen – es sei denn es wird am Morgen trainiert. Konkrete Empfehlungen für die Frühstückszusammenstellung sind dann abhängig vom Individuum. In der Praxis sind sowohl kohlenhydratreiche- und arme Frühstücksvarianten sinnvoll, um in den Tag zu starten. Kohlenhydrate wirken übrigens auf den Körper als Relaxans und sind in langkettiger Form Basis eines konstanten Blutzuckerspiegels und bilden daher auch die Grundlage für den Ablauf der cerebralen Reinigung von Stoffwechselabfallstoffen durch das glymphatische System.

 

Und was ist bei Mikronährstoffen zu beachten?

Bezüglich Mikronährstoffen, Vitaminen und Mineralstoffen sollte beachtet werden, dass metabolisch anregende Substanzen morgens eingenommen werden und Regenerative eben abends. 

Zu den Morgens besser absorbierten Verbindungen gehören: die Vitamine A, C, D, E, K (wobei Vitamin E synergistisch mit Vitamin C und Selen zu betrachten ist), Molybdän, Mangan, Jod, Vanadium, Chrom, Phosphor, Calcium und Nickel. 

Abends entfalten ihre Wirkung dann besser: B-Vitamine (außer B6), Zink, Kalium und allen voran Magnesium mit seiner entspannenden Wirkung. 

In manchen Fällen kann die Einnahme von Magnesium und höher dosiertem Eiweiß abends eher anregend wirken, in diesen Fällen sollten die beiden Stoffe am früheren Tag dosiert werden. Kreatin hat sich sowohl morgens nach einer schlechten Nacht als kognitiv anregend, als auch vor dem Zubettgehen als entspannend herausgestellt.

Ein kleiner AUsblick

Im 3. und letzten Teil unserer Schlafserie beschäftigen wir uns mit dem Zusammenhang zwischen Schlaf und Regeneration.

Quellen

  • Chaix et al., “Time-Restricted Feeding Is a Preventative and Therapeutic Intervention against Diverse Nutritional Challenges,” Cell Metabolism 20, no. 6 (2014): 991–1005.
  • A. Schroder et al., “Intrinsic Muscle Clock Is Necessary for Musculoskeletal Health,” Journal of Physiology 593, no. 24 (2015): 5387–404.
  • Aoyama and S. Shibata, “The Role of Circadian Rhythms in Muscular and Osseous Physiology and Their Regulation by Nutrition and Exercise,” Frontiers in Neuroscience 11 (2017): article no. 63.
  • Thun et al., “Sleep, Circadian Rhythms, and Athletic Performance,” Sleep Medicine Reviews 23 (2015): 1–9.
  • Facer-Childs and R. Brandstaetter, “The Impact of Circadian Phenotype and Time Since Awakening on Diurnal Performance in Athletes,” Current Biology 25, no. 4 (2015): 518–22.
  • T. Moro et al., “Effects of Eight Weeks of Time-Restricted Feeding (16/8) on Basal Metabolism, Maximal Strength, Body Composition, Inflammation, and Cardiovascular Risk Factors in Resistance-Trained Males,” Journal of Translational Medicine 14 (2016): article no. 290.

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