Belastungsprofil im Crossfit

Im Artikel Energiesysteme sind wir bereits auf die verschiedenen Energie-Liefersysteme eingegangen und werden uns nun mit der Bedeutung der Energiesysteme im CrossFit näher beschäftigen.

Wie muss ich mich im CrossFit ernähren? Sind Kohlenhydrate im CrossFit wichtig? Doch bevor wir uns mit dem Belastungsprofil dieser Sportart beschäftigen, möchten wir zuerst einen Überblick über diverse Sportarten und deren dominierende Energiesysteme schaffen. In der gegenüberliegenden Abbildung (erstellt von RAWO) seht ihr, welchen Anteil dann das jeweilige Energiesystem für die Energiebereitstellung in bestimmten Sportarten hat.

Dabei  fällt auch direkt auf, dass immer mindestens zwei Energiesysteme gleichzeitig arbeiten und somit ATP resynthetisieren. Häufig werden es sogar alle drei Systeme gleichzeitig sein, die dann für die Energiebereitstellung sorgen. Allerdings wird immer ein System eine dominante Rolle, abhängig von Intensität, Dauer und Art der Belastung einnehmen. 

CROSSFIT ALS TRAININGSMETHODOLOGIE

Welches Energiesystem dominiert denn nun im CrossFit und welche weiteren Anforderungen werden an den Athleten gestellt? Um diese Frage zu beantworten, sollte man sich zuerst mit der Definition von CrossFit auseinandersetzen. Denn neben dem selbst ernannten „sport of fitness“ ist CrossFit in erster Linie eine Trainingsmethodologie, welche wir zuerst verstehen sollten, bevor wir versuchen ein Belastungsprofil für die Sportart CrossFit zu erstellen. 

Constantly varied

CrossFit ist definiert als: „Constantly varied, high-intensity, functional movement.“

Constantly varied bedeutet, dass dann das Training im CrossFit regelmäßig variiert wird. Sei es die Übungsauswahl und –zusammenstellung, die Belastungsdauer oder das generelle Ziel des Trainings, wie zum Beispiel Kraftaufbau, Verbesserung der Ausdauer, Verbesserung eines Skills, etc.. Hören wir das Wort CrossFit, so denkt man meist an ein intensives Workout, häufig auch MetCon genannt. Diese können auch sehr unterschiedlich und vielfältig sein.

Allerdings kann CrossFit jegliche Arten von Kraft- und Konditionstraining enthalten. Mit anderen Worten bedeutet das, dass Stunden mit alleinigem Fokus auf olympischen Gewichtheben, Krafttraining, reines Ausdauertraining wie Lauf- oder Ruderintervalle und/oder Gymnastics Skills keine Seltenheit sind.

Anhand dieser Vielfalt an Belastungen wird deutlich, dass alle Energiesysteme eine wichtige Rolle im CrossFit spielen. Wie bereits im Teil der Energiesysteme beschrieben, dominiert bei einem Krafttraining (vor allem Maximalkrafttraining), dem olympischen Gewichtheben oder bei sehr kurzen maximalen Sprints das ATP-KP System, wodurch dessen Ausprägung in diesen Bereichen ein leistungsentscheidender Faktor ist. Bei einem typischen MetCon oder auch Intervallen wird je nach Belastungsintensität und –dauer die anaerobe Glykolyse oder aerobe  Glykolyse dominieren, auf jeden Fall werden aber beide Systeme involviert sein. Lediglich die aerobe Lipolyse hat auf den ersten Blick eine untergeordnete Rolle im CrossFit, sollte dennoch nicht komplett vernachlässigt werden, wie wir gleich noch erfahren.

high-intensity

Schauen wir uns nun den Punkt high-intensity an, so müsste man dann daraus schlussfolgern, dass das ATP-KP System die größte Bedeutung hat. Da eben genau dieses System für hohe Intensitäten die Energie bereitstellt. Für einen kleinen Teil von CrossFit trifft dies auch zu.

Beziehen wir uns nun aber auf ein typisches MetCon, welches normalerweise mehrere Minuten dauert, so wird das anaerob-laktazide System und in den meisten Fällen die aerobe Glykolyse dominieren.

Wieso heißt es dann aber high-intensity? High-intensity bezieht sich hierbei eher auf das subjektive Belastungsempfinden. In einem MetCon versuchen wir entweder einen vorgegebenen Ablauf so schnell wie möglich zu bewältigen oder in einer vorgegeben Zeit eine bestimmte Übungsabfolge so oft wie möglich zu absolvieren. Wir gehen also häufig an unsere individuelle Leistungsgrenze in so einem Workout, wodurch sich diese Belastung hochintensiv anfühlt, selbst wenn die tatsächliche Intensität aufgrund der Belastungsdauer meistens eher submaximal ist.

Die Bedeutung von Functional Movement und was denn genau als funktionelle Bewegung zählt ist nochmal eine ganz andere Debatte, die nicht Teil dieses Artikels sein soll. Dennoch unterstreicht dieser Punkt die Vielfalt an Bewegungen im CrossFit, wodurch sehr hohe technische und konditionelle Anforderungen an den Athleten gestellt werden.

CrossFit als Sportart

Betrachten wir CrossFit nun als Sportart, so ist diese folglich mindestens genauso vielfältig wie die Trainingsmethodologie selbst. Gerade bei sehr großen Wettkämpfen warten verschiedenste Tests auf den Athleten und häufig werden diese dann erst am Wettkampftag selbst bekannt, wodurch Athleten auf alles vorbereitet sein müssen – „Prepared for the unknown and unknowable“. 

Hieraus wird deutlich, dass abseits von den physiologischen Anforderungen an den Athleten auch die mentale Leistungsfähigkeit/Stärke eine wichtige Komponente für das Belastungsprofil im CrossFit spielt. Häufig geht es darum, wer am besten mit der Diversität der Sportart umgehen kann und es schafft, unter den Umständen eines Wettkampfs und einem Workout, welches man vorher vielleicht noch nie gemacht hat, sein volles Potential abzurufen. Daher ist es unabdingbar, an die Grenze der eigenen individuellen Leistungsfähigkeit zu gehen, wenn man Erfolg haben möchte.

Somit ist eine große Schmerztoleranz, welche auch eine Komponente von mentaler Stärke ist, ein absolutes Muss für jeden Wettkampfathleten. Schaffe ich es nicht meine Leistung im Wettkampf abzurufen, sei es, weil ich dem Druck nicht standhalten kann oder weil ich nicht die Schmerztoleranz habe, um wirklich meine volle Leistung abzurufen (ein CrossFit Workout bei maximaler Leistung wird immer unangenehm sein!), so bringen mir auch die besten physiologischen Voraussetzungen nichts. Umgekehrt ist mentale Stärke genauso nutzlos, wenn ich nicht die nötige Fitness besitze, um vorne mitzuhalten. Was sind denn also nun die konkreten physiologischen Anforderungen im CrossFit, vor allem in Bezug auf die Energiesysteme? Hierfür unterscheiden wir zwischen einem einzelnen Workout, wie Beispielsweise den CrossFit Open oder einem beliebigen Qualifier für einen anderen Wettkampf und einem gesamten Wettkampfwochenende.

CrossFit Open / Qualifier Workout

Bei den CrossFit Open oder auch den meisten anderen Online Qualifikationen hat man meistens mehrere Tage, um ein einziges Workout zu absolvieren. Diese Workouts sind dann in den meisten Fällen mindestens 3 Minuten lang und sehr selten länger als 20 Minuten. Wenn wir an die Aufteilung unserer Energiesysteme zurückdenken, so stellen wir fest, dass auch hier das anaerobe-alaktazide aber auch das -laktazide System bereits eine untergeordnete Rolle spielen und vor allem das aerobe System in Form der aeroben Glykolyse leistungsentscheidend ist. 

Auch wenn es noch keine genauen wissenschaftlichen Untersuchungen zur Energiesystemaufteilung im CrossFit gibt und da diese Sportart so variabel und zudem verhältnismäßig neu ist, können und müssen wir uns an der Wissenschaft anderer Sportarten orientieren. Hier hat Gastin im Jahre 2001 bereits das Zusammenspiel der Energiesysteme und deren relativen Anteil der Energiebereitstellung bei unterschiedlichen Sprint und Laufdistanzen verglichen. Dabei wurden die jeweiligen Weltrekorde aus jeder Distanz genutzt. Bereits bei einem 800m Lauf, bei dem der heutige Weltrekord bei den Frauen bei 1:53,28 und bei den Männern bei 1:40,91 liegt, wurden bereits 2/3 der Energie über das aerobe System bereitgestellt. Zwar können wir diese Ergebnisse nicht 1:1 für ein CrossFit Workout übernehmen, da hier meistens verschiedenste und vor allem mehrere Bewegungen in einem Workout absolviert werden. Dennoch können wir mit großer Sicherheit davon ausgehen, dass für den oben beschriebenen Zeitbereich die aerobe Glykolyse leistungslimitierend ist. 

Dennoch wird bei einem sehr kurzen Workout von ca. 3 Minuten das anaerob-laktazide System einen nicht zu unterschätzenden Teil der Energiebereitstellung ausmachen und darf deshalb nicht vernachlässigt werden. Zudem ist es nicht selten, dass während einem Workout, selbst wenn dieses 20 Minuten andauert, regelmäßig schwere Gewichte bewegt oder anspruchsvolle Gymnastic Movements durchgeführt werden müssen. Hier ist zu erwarten, dass für solche Bewegungen die Energie primär über den anaeroben Stoffwechsel zur Verfügung gestellt wird, selbst wenn über das gesamte Workout gesehen das aerobe System dominiert. 

Leistungsentscheidend ist das ATP-KP System nur, wenn ein maximaler Lift in einem Open oder Qualifier Workout gefordert wird, was aber nur sehr selten alleinstehend, ohne metabolische Vorbelastung getestet wird. Auch sehr kurze Sprintworkouts die maximal 2 Minuten andauern und bei denen das anaerob-laktazide System genauso entscheidend oder vielleicht sogar wichtiger als das aerobe System wäre, sind eher eine Seltenheit. Für ein Open oder Qualifer Workout können wir festhalten, dass in den meisten Fällen unsere aerobe Kapazität leistungsentscheident ist, unser anaerobes System aber dennoch eine wichtige Komponente darstellt. 

Hieraus ergeben sich auch wichtige Punkte für unser Pacing in einem Workout. Da wir wissen, dass wir unsere Leistung meist über mehrere Minuten hinweg aufrechterhalten müssen, sollten wir darauf achten, dass wir nicht zu schnell in einem Workout starten. Sonst würde zu Beginn die Energie dominant über die anaerobe Glykolyse bereitgestellt werden, wodurch die Laktatkonzentration im Muskel stark ansteigt. Dies hätte spätestens nach 2 Minuten einen starken Leistungsverlust zur Folge. Stattdessen macht es Sinn, mit einem konstanten Tempo zu starten, welches wir über das gesamte Workout halten können und dann unser anaerobes System für einen Schlusssprint ausschöpfen. Abschließend ist zu erwähnen, dass in Bezug auf das aerobe System fast ausschließlich die aerobe Glykolyse von Bedeutung ist. Die aerobe Lipolyse ist für ein solches Workout zu vernachlässigen. 

CrossFit Wettkampf

Inwiefern unterscheidet sich das Belastungsprofil für ein gesamtes Wettkampfwochenende von einem einzelnen Workout? Da während einem Wettkampf jedoch meistens zwei bis vier Workouts pro Tag absolviert werden müssen und das nicht selten über zwei bis drei Tage, bekommt in dieser Situation daher das aerobe System eine nochmal viel größere Bedeutung. Unsere aerobe Kapazität ist nämlich nicht nur entscheidend für unsere Leistung während einem Workout, welches mehrere Minuten anhält, sondern auch für unsere Erholung zwischen den Workouts und Wettkampftagen. 

Ein gut ausgeprägtes aerobes System wird uns hierzu helfen, möglichst gut zwischen den Workouts zu regenerieren und über die Dauer des Wettkampfes konstant gut zu performen. Hier kommt nun auch die aerobe Lipolyse zum Einsatz. Ist unser aerobes System gut ausgeprägt, so werden wir in der Lage sein unsere Phosphat Speicher über die aerobe Glykolyse und Lipolyse möglichst schnell wieder aufzufüllen. Zudem hilft das aerobe System Abfallprodukte des Stoffwechsels, welche während eines solchen Workouts anfallen möglichst schnell zu beseitigen. 

Ein Punkt, in dem sich Wettkämpfe von einzelnen Open/Qualifier Workouts unterscheiden, ist die Spezifität der Tests. Da während eines Wettkampfs mehrere Workouts absolviert werden, sind einige davon häufig darauf ausgelegt einen spezifischen Bereich oder eine Fähigkeit gezielt zu testen. So sind reine Kraftevents mit Fokus auf olympischen Gewichtheben oder Strongman Elementen keine Seltenheit. Hier sind also vor allem die Maximalkraft und die technische Fähigkeit des Athleten in der jeweiligen Übung leistungsentscheidend. Aus energetischer Sicht dominiert hier das ATP-KP System und je nach Aufbau des Tests wird auch das anaerob-laktazide System eine wichtige Rolle spielen. Das aerobe System rückt hier Ausnahmsweise in den Hintergrund. Die Bedeutung der Maximalkraft und des ATP-KP Systems ist während einem Wettkampf also deutlich größer, wie vergleichsweise während den CrossFit Open.

Es gibt aber nicht nur spezifische Kraft Tests, sondern sehr häufig auch Workouts, die spezifisch die aerobe Kapazität testen, wie reine Lauf- oder Ergometer Workouts. Diese überschreiten dann auch gerne mal die 30 Minuten Marke. Bei einem solchen Test ist dann fast ausschließlich unser aerobes System, mit Fokus auf der aeroben Glykolyse und eventuell einer geringen Unterstützung der aeroben Lipolyse am arbeiten. 

Meistens gibt es zudem noch ein Workout, welches spezifisch die anaerobe-laktazide Kapazität testet, wie beispielsweise einem 500m Sprint auf dem Ruderergometer oder auch gemischte Workouts, die nur ein bis maximal zwei Minuten andauern. Auf einen gesamten Wettkampf betrachtet können also alle Energiesysteme eine entscheidende Rolle spielen und je nach Test die dominierende Rolle einnehmen. Dennoch wird Erfahrungsgemäß am häufigsten die aerobe Glykolyse den größten Teil unserer Energiebereitstellung ausmachen. Zusätzlich dürfen wir wie besprochen die Bedeutung des aeroben Systems für die Regeneration zwischen den Events nicht außer Acht lassen.

Abschließende Worte

Aufgrund der quasi unendlichen Vielfalt im CrossFit kann das Belastungsprofil in jedem Workout unterschiedlich sein. Dennoch können wir aus Erfahrung und Beobachtung schon sehr gute Tendenzen erkennen und allgemeine Angaben machen. Konkrete wissenschaftliche Untersuchungen hinsichtlich eines Belastungsprofils im CrossFit gibt es bisher leider kaum, da die Sportart verhältnismäßig immer noch sehr jung ist und man auch nur schwer die angesprochene Vielfalt in Experimenten berücksichtigen kann. Trotzdem wird es spannend sein, neue Erkenntnisse im Laufe der Zeit zu gewinnen. Bis dahin werden wir uns weiter an den Erfahrungen und Beobachtungen aus dem Sport und wissenschaftlichen Erkenntnissen anderer Sportarten orientieren. 

Quellen

  • Gastin, P. B. (2001). Energy System Interaction and Relative Contribution During Maximal Exercise. Sports Med, 31 (10), 725-741.
  • Feito Y, Giardina MJ, Butcher S, Mangine GT. Repeated anaerobic tests predict performance among a group of advanced CrossFit-trained athletes. Appl Physiol Nutr Metab. 2019;44(7):727-735. doi:10.1139/apnm-2018-0509
  • O’Connor, H., Honey, A., & Caterson, I. (2015). Clinical sports nutrition. New South Wales: McGraw-Hill Education, 164-212.
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