GEWICHTSMANAGEMENT IM SPORT

Die Begriffe „Gewichtsmanagement“ und „Diät“ weisen bei genauerer Betrachtung nicht so viele Überschneidungen auf, wie man zunächst annehmen würde. Im Kontext des (Leistungs-)Sports meint Gewichtsmanagement den Weg bis zum individuellen „Wohlfühlgewicht“ bzw. „Idealgewicht“ der jeweiligen Sportart. Während der Ausdruck „Diät“ im Alltag synonym mit dem Wort „Gewichtsreduktion“ verwendet wird, ist die Bezeichnung „Gewichtsmanagement“ deutlich vielschichtiger und multifaktoriell. Gerade im Leistungssport prägt das Anforderungsprofil der jeweiligen Wettkampfdisziplin maßgeblich das Idealgewicht des Athleten. So ist beispielsweise in schlagkräftigen Sportarten wie dem Sprinten oder aber auch im olympischen Gewichtheben und CrossFit das Kraft-Last-Verhältnis entscheidend. Andere Schwerpunkte im Gewichtsmanagement legen zum Beispiel ästhetische Sportarten und der Ausdauersport. (vgl. Manore, 2015)
Das eigene Körpergewicht stellt ein Faktor dar, mit dem sich viele Athleten im Detail auseinandersetzen müssen und der zum erfolgsbestimmenden Blickpunkt avancieren kann. Wie der Balanceakt zum Erfolg wird und wie bestmöglich anfallende Hürden gemeistert werden können, erfahrt ihr in diesem Artikel.

Sinn, Ziel und Relevanz des Gewichtsmanagements für verschiedene Athletengruppen

Vereinfacht dargestellt verfolgen wir mit dem Gewichtsmanagement folgende Hauptziele:

1) Reduktion von Fettmasse und Körpergewicht
2) Erhöhung der fettfreien Masse

Aber für wen bzw. welche Sportart macht es überhaupt Sinn?

Greift man die obigen Beispiele nochmals auf und weist diese Kategorien zu, ergibt sich folgende Gliederung, in der das Gewichtsmanagement eine (entscheidende) Rolle spielt:

1) Gewichtssensitive Sportarten (Ausdauersportarten oder z.B. Skispringen)
2) Sportarten, in denen Athleten in Gewichtsklassen eingeteilt werden (Kampfsportarten oder olympisches Gewichtheben)
3) die Ästhetik des Athleten hat einen maßgeblichen Anteil am Wettkampferfolg ( z.B. Eiskunstlauf oder turnerischen Wettkampfsportarten). (vgl. Manore, 2015)

Eine Sache wird hier schon deutlich: Diese Maßnahmen sind im Hobbysport eher unüblich und dem Hochleistungssport vorbehalten.
An dieser speziellen Stellschraube zu drehen macht jedoch auch im Profisport erst dann Sinn, wenn das Fundament passt und Trainings- sowie Regenerationsmaßnahmen vollends ausgereift sind.

4 Punkte einer (professionellen) Herangehensweise

Egal ob wir nun selbst als Athlet direkt oder indirekt als Trainer oder Ernährungsberater mit diesem Themenfeld konfrontiert werden, ist es wichtig, dass wir uns folgendes vor Augen führen:

1) Was ist unser Ziel?
Nur wenn wir uns realistische Ziele setzen könne wir diese auch erreichen. Des Weiteren sollten diese zwischen Athlet – Trainer – Ernährungsberater genau abgestimmt und zusammen erarbeitet werden.

2) Es sollten einzig „milde“ Abnehmstrategien zum Einsatz kommen.
Was sich genau hinter diesem Punkt versteckt, erkunden wir in einem späteren Abschnitt.

3) „Gefährliche“ Strategien, die zu einer Beeinträchtigung der Gesundheit des Athleten führen können, sind zu keinem Zeitpunkt in Betracht zu ziehen.

4) Gewichtsmanagement ist ein sehr dynamischer Prozess und bedarf als solcher eine ständige Evaluation der Wirksamkeit und somit einen engen Austausch zwischen Athlet, Trainer und Ernährungsberater. (vgl. Helen Bauhaus, DSHS)

Ansätze unterschiedlicher Abnehm-Strategien

Die erste Assoziation in diesem Zusammenhang sind natürlich die unzähligen Diätformen, sei es Low Carb-High Fat, Low Fat-High Carb, Paleo, Atkins, Fruitarian oder auch Intermittent Fasting … Die einzige Gemeinsamkeit, die diese Ernährungsformen aufweisen ist wohl der Punkt, dass jede von sich behauptet die beste und einzig wahre Ernährungsweise zu sein. Doch dazu später mehr! Nun wollen wir uns zunächst um einen allgemeinen Punkt kümmern.

Generell können wir zwei unterschiedliche Vorgehensweisen differenzieren:

Langfristiger Ansatz
Bei dieser Strategie beginnt das Gewichtsmanagement bereits einige Wochen vor dem Hauptwettkampf. Somit wird die notwendige Zeit geschaffen, um lediglich ein geringes Kaloriendefizit von ungefähr 300-500 kcal / Tag realisieren zu müssen. Ein reduziertes Körpergewicht wird bei dieser Strategie vornehmlich durch das Einschmelzen der Fettreserve generiert. Die fettfreie Körpermasse bleibt größtenteils erhalten. Wichtiger Punkt beim Makrotracking stellt die vergleichsweise hohe Proteinzufuhr dar, welche allerdings unumgänglich ist, will man Muskelmasse behalten und Körpergewicht reduzieren. Die Kalorienzufuhr kann vor allem im Bereich der Fette und zum Teil bei den Kohlenhydraten heruntergeschraubt werden.

Akuter Ansatz
Eine weitere Methode stellt das sogenannte „Gewicht machen“ dar. Hierbei wird die Zeit unmittelbar vor dem Wettkampf (~7 Tage) genutzt um die Konstitution rapide zu verändern. Im Gegensatz zu dem langfristigen Ansatz wird über die Entleerung der Glykogenspeicher bis hin zur Dehydration nahezu alles in Kauf genommen.
Aufgrund der hohen potentiellen Gefahr bedarf ein solches Vorgehen eine sehr ausgeklügelte Planung. Einen detaillierten Überblick findet sich bereits hier.

So viel sei jedoch gesagt: Um Leistungseinbußen zu vermeiden, kann der Sportler einen kurzfristigen Gewichtsverlust von maximal drei Prozent des ursprünglichen Körpergewichts tolerieren, sofern dieser über eine Dauer von fünf bis sieben Tage herbeigeführt wird. Stellt sich dieser Gewichtsverlust in Folge extremer Dehydration ein, spiegelt sich dies jedoch meist auch in einer stark eingeschränkten Leistungsfähigkeit wieder. Bei der Methodenwahl ist Vorsicht geboten!
(vgl. Reale et al., 2017 und 2018, Barley et al., 2018)

Die Praxis des „Gewicht machen“
Die gezielte, akute Manipulation des Körpergewichts prägt die unmittelbare Wettkampfvorbereitung aller Athleten, die in Sportarten mit Gewichtsklassen an den Start gehen.
Man verspricht sich davon einen Vorteil gegenüber dem Gegner, zumindest in der Theorie scheint dies auch sinnvoll.
Vergleicht man die beiden vorgestellten Ansätze, so fällt das Urteil eindeutig aus: Die Prävalenz (= gesamte Anzahl der Krankheitsfälle) der akuten Vorgehensweise ist fast doppelt so hoch wie die einer langfristigen Strategie. Interessanterweise zeigt eine Studie von Reale und Kollegen, dass der bestimmende Faktor in der Praxis des Gewichtmachens der Einfluss von Teamkameraden sowie das persönliche Verlangen, zu gewinnen, ist. Weiterhin zeigen die Ergebnisse dieser Befragung, dass es für viele Athleten um mehr als das Erlangen eines physischen Vorteils geht. Der Prozess des Gewichtmachens ist Teil ihrer Sportidentität und wesentlicher Bestandteil des Athletendaseins.
Wie in so vielen Dingen liegt die Krux im Detail, denn gerade bei dieser Vorgehensweise ist die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis enorm.
(vgl. Langan-Evans, 2011)

Eine milde, vertretbare Methode würde die Glykogenspeicher über einen Zeitraum von mindestens drei bis hin zu sieben Tagen entleeren, sowie den Darminhalt auf natürliche Weise innerhalb mehrere Tage reduzieren. Auf Dehydrationsstrategien wird nur im Notfall zurückgegriffen. Summa summarum bewegt man sich dann in einer Range von ein bis maximal drei Prozent Gewichtsverlust bei der Einwaage.

Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie - oder doch?

Vergleicht man dieses Best- Practice Modell nun mit den tatsächlichen Vorgehensweisen der Athleten, so wird deutlich, dass schädliche Strategien viel zu oft an der Tagesordnung stehen. Nicht nur werden Diuretika und Laxativa regelmäßig und exzessiv genutzt, sondern auch Dehydration ad absurdum betrieben, d.h. sehr hohe Trainingsintensitäten, um den Verlust von Körperwasser durch Schweiß anzukurbeln, Training in Plastikanzügen, Saunieren bis hin zur extremen Flüssigkeitsrestriktion.

Bis zu zehn Prozent Körpergewichtsreduktion sind durch ein solches Vorgehen in der Praxis keine Seltenheit. Besonders hervorzuheben ist eine ungenügende Nährstoffversorgung bei solch extremen Marschrouten: die Gefahr von Infektionskrankheiten und Verletzungen potenziert sich, aber auch der Hormonstatus wird beeinflusst, was gerade bei jüngeren Athleten zu Beeinträchtigungen in der Entwicklung führen kann. In einem Worst Case Szenario assoziiert der Athlet Wettkampferfolg mit der Gewichtsreduktion, was in der Zukunft einerseits zu immer extremeren Maßnahmen führen kann, andererseits in einer chronischen Essstörung resultieren kann. Eine mögliche Erklärung dieser Vorgehensweise könnte in dem mangelnden Fachwissen vieler Athleten liegen. Wird bei dieser Überlegung die Tatsache berücksichtigt, dass sich ein Großteil der Athleten nicht an Ernährungsberatern und gängiger Literatur, sondern an Trainingskollegen orientiert, ist dies allerdings wenig verwunderlich. (vgl. Barley et al. 2018, Reale et al. 2018)

Die abschließende Frage, lautet nicht, welche Vorgehensweise für meinen Athleten die zielführendste ist, um die nächst niedrigere Gewichtsklasse zu erreichen, sondern vielmehr, ob dieser theoretische Vorteil, den sich alle Welt erhofft, so überhaupt existiert. Fakt ist, die Nachteile, die diesem vermeintlichen Wettkampfvorteil gegenüber stehen, sind real und schwerwiegend.

Quellen

(1) Manore, M. M. (2015). Weight management for athletes and active individuals: a brief review. Sports Medicine, 45(1), 83-92.

(2) Reale, R., Slater, G., & Burke, L. M. (2017). Acute-weight-loss strategies for combat sports and applications to Olympic success. International Journal of Sports Physiology and Performance, 12(2), 142-151.

(3) Langan-Evans, C., Close, G. L., & Morton, J. P. (2011). Making weight in combat sports. Strength & Conditioning Journal, 33(6), 25-39.

(4) Reale, R. (2018). Acute weight management in combat sports: pre-weight-in weight loss, post weight-in recovery and competition nutrition strategies. Sports. Sci. Exch, 29(183), 1-6.

(5) Flint H.J., Scott K.P., Duncan S.H., Louis P., Forano E. (2012): Microbial degradation of complex carbohydrates in the gut. Gut Microbes. Jul-Aug;3(4):289-306. doi: 10.4161/gmic.19897.

(6) Barley, O. R., Chapman, D. W., & Abbiss, C. R. (2018). Weight Loss Strategies in Combat Sports and Concerning Habits in Mixed Martial Arts. International journal of sports physiology and performance, 13(7), 933–939. https://doi.org/10.1123/ijspp.2017-0715

SCHREIBE EINEN KOMMENTAR

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert