Ernährung im (Kurz)Sprint in der Leichtathletik

Königsdisziplin 100m Sprint – Der leichtathletische Sprint ist schon lange zur Königsdisziplin avanciert. Auf Weltklasseniveau werden schließlich Geschwindigkeiten von mehr als 12,5 m/s erreicht. Diese Fabelzahl entspricht knapp 45 km/h. Was für den Großteil der Bevölkerung eine Geschwindigkeit darstellt, die selbst auf einem Fahrrad schwierig zu erreichen ist, verhalf dem Sprinter Usain Bolt die 100m Strecke in 9,58s zurückzulegen! 

Um eine solche Leistung realisieren zu können, muss jedoch an jeder noch so kleinen Stellschraube gedreht werden. Denn eines ist klar, Fehler werden in dieser Sportart nicht verziehen.

Wer seinem Körper täglich Höchstleistungen abverlangt, muss auch dann bei der Lebensmittelzufuhr das ein oder andere beachten. Schließlich würde auch niemand jemals auf die Idee kommen, einen Fomel-1 Wagen mit Treibstoff minderer Qualität vollzutanken! Dennoch wird dem Bereich Ernährung, als Treibstoff des Menschen, zu selten genügend Aufmerksamkeit geschenkt.

Energetisches Anforderungsprofil (Kurz)Sprint

Die Disziplingruppe Kurzsprint umfasst allerdings nicht nur die 100 Meter. Ebenfalls gehören Strecken wie 100/110m Hürden, 200 Meter und die 4×100 Meter Staffel dazu. Die Energiebereitstellung während eines Wettkampfes läuft vorwiegend (ungefähr zu 80 Prozent) anaerob ab. Während eine klassische Wettkampfbelastung lediglich 1-2 einzelne maximale Belastungen, in Form von Vorlauf und Finale bedeutet, muss im Hinterkopf behalten werden, dass eine typische Trainingsbelastung deutliche kürzere Erholungszeiten zwischen den einzelnen Belastungen und zudem eine größere Anzahl an einzelnen Belastungen innerhalb der Einheit beinhaltet. 

Innerhalb einer Trainingseinheit ist es daher nicht mehr möglich, einen so großen Anteil des Energiebedarfes anaerob zur Verfügung zu stellen! Bei der Planung einer zielführenden Ernährungsstrategie muss dieser Unterschied dann unbedingt bedacht werden! Elite-Sprinter trainieren zudem bis zu 4 Stunden am Tag und dies an bis zu 6 Tage pro Woche. Ein üblicher Trainingstag folgt häufig dem Muster: morgendliche Einheit im Stadion mit anschließender Krafttrainingseinheit, während am Nachmittag dann Aktivitäten wie Regenerationsmaßnahmen sowie persönlichen Verpflichtungen nachgegangen wird.

Folglich spielt bei der Entwicklung einer Ernährungsstrategie das Timing der verschiedenen Mahlzeiten eine übergeordnete Rolle. Dieser Bereich beschränkt sich dann im Sprint im Wesentlichen auf die Zeit vor und nach einer Trainingseinheit. 

Vergleicht man das Sprinttraining mit anderen Disziplingruppen, so erkennt man schnell, dass eine vergleichsweise niedrigere Energiezufuhr notwendig ist. Im Durchschnitt verbraucht man bei einer repräsentativen Sprinteinheit ungefähr bis zu 500 kcal pro Stunde, während in anderen leichtathletischen Disziplingruppen Werte von über 1000 kcal pro Stunde nicht unüblich sind.

Weiterhin ist es so, dass trotz der heutzutage sehr unterschiedlichen Sprintertypen, die Mehrzahl der Athleten, stark vereinfacht gesprochen, in die Kategorie des „ektomorphen Körperbautyps“ fällt. Gründe für diese Klassifizierung lassen sich entsprechend in der Kraft-Massen-Relation finden. Die Ernährung spielt hier eine essenzielle Rolle, um dann jeden einzelnen Athleten seinem individuellen Optimum näher zu bringen. Erreicht werden kann dies, durch eine gezielte Maximierung des Kraftniveaus, oder aber auch durch Muskelhypertrophieeindämmungen oder das Herabsetzen des Körperfettanteils. Hauptansatzpunkte der Intervention durch eine gezielte Nährstoffsupplementierung sollten hierzu die Punkte sein:

  • schnellere Stoffwechselraten im Bereich Kreatinphosphatspaltung
  • Erhöhung glykolytischer und mitochondrialer Enzymaktivität
  • Pufferung von H+, Optimierung des phosphagenen Energiesystems

(vgl. Slater et al., 2019)

„Wunderwaffe“ periodisierte Ernährung?

Periodized Nutrition“, bzw. „Nutritional Training“ bezieht sich auf die Tatsache, dass dabei eine Adaptation maßgeblich von Qualität und Quantität der Nährstoffversorgung vor und nach einer Trainingsmaßnahme abhängt und somit die Möglichkeit besteht, die trainingsbedingten Anpassungen durch ausgewählte Ernährungsstrategien entweder zur amplifizieren oder zu reduzieren. 

Im Folgenden werden, angepasst an die disziplinspezifischen Anforderungen sowie Trainingsperiodisierung,  Ernährungsstrategien für den Sprintsport dargstellt: 

Beachte, dass es nicht möglich ist die individuellen Bedürfnisse zu berücksichtigen und aus diesem Grund Abwandlungen nötig sind. Weiterhin orientieren sich diese allgemeinen (!) Handlungsempfehlungen lediglich an Inhalten und / oder Zielen, bei denen man annehmen kann, dass diese repräsentativ für die meisten Sprinter sind. Für spezifische Trainingsinhalte oder besondere individuelle Ziele muss eine angepasste, den persönlichen Bedürfnissen entsprechende Ernährungsstrategie erarbeitet werden.

Grundlagentraining

Innerhalb einer allgemeinen Konditionstrainingsphase kann der Athlet auf die angestrebte Körperkonstitution hinarbeiten. Die Optimierung des Kraft-Last Verhältnisses ist zu diesem Zeitpunkt gut zu erreichen, da hauptsächlicher Trainingsinhalt ein hochvolumiges (HVT) Ausdauer- und Krafttraining ist und es zudem möglich ist, durch die Nahrung aufgenommene Kalorien zu restriktiveren.

Training nach einer längeren Fastenperiode (train low) kann zum einen die oxidative Kapazität der Muskulatur durch eine Erhöhung der oxidativen Enzymkapazität verbessern und zum anderen die Verbrennung intramuskulärer Fettspeicher anregen, sowie die Glykogenresynthese optimieren (vgl. Jeukendrup, 2017).

Eine Ernährungsstrategie im Bereich der Kategorie „train low“ kann daher den gewünschten Gewichtsverlust durch Einschmelzen der Fettreserven bewirken und außerdem das Trainingsziel der Wiederherstellung einer allgemeinen Leistungsfähigkeit, vor allem im aeroben Bereich, wirkungsvoll unterstützen. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass eine gezielte Kohlenhydratrestriktion sich auf Schlafqualität und Schlafquantität auswirken kann. Dieser Effekt muss allerdings im Hinblick auf die Gesunderhaltung und Verletzungsprophylaxe bedacht werden.

Krafttraining

Innerhalb einer speziellen Konditionierungsphase sollte ein besonderes Augenmerk auf Exercise-induced muscle damage gelegt werden. Durch hochvolumiges Krafttraining soll eine gewisse Hypertrophie der Leistungsmuskulatur erzielt und somit „lean mass“ aufgebaut werden. Es sollten also 1.6-2.2 g/kg/Tag an Protein mit hoher biologischer Wertigkeit vor allem nach einer Krafttrainingseinheit zugeführt werden, um eine Förderung der Proteinsynthese zu gewährleisten.

Hochintensives Training / Wettkampfvorbereitung

Innerhalb eines hochintensiven Trainingsblocks ist eine gänzlich differenzierte Ernährungsstrategie zu präferieren. In dieser spezifischen Vorbereitungsphase gilt es dann, anders als in den Konditionierungsphasen, Entzündungsprozesse weitestgehend einzudämmen. Eine hohe Kohlenhydratzufuhr ist vor allem an Tagen mit zwei Trainingseinheiten unbedingt notwendig, um somit die Qualität des Trainings aufrechterhalten zu können und die notwendige Regeneration zu gewährleisten. In gewissen Abschnitten dieser Trainingsphase ist es wichtig, die Stressresponse durch Ernährung gezielt herabzusetzen und somit eine beschleunigte Erholung auf Kosten einiger Adaptationsprozessen zu erlangen. Weiterhin gilt es zu erwägen, nach bestimmten Stimulusdarbietungen im Kraftbereich, (unerwünschte) morphologische Anpassungen durch Proteinrestriktion weitestgehend zunichte zu machen und dann nur neuronale Veränderungen zuzulassen. In dieser Phase spielen nun dann auch Supplemente wie Koffein, Kreatin und Bicarbonat eine wichtige Rolle.

Der Einsatz von Koffein ermöglicht die Akzentuierung einzelner Trainingseinheiten. Gerade an Tagen, an denen maximale Schnelligkeitsleistungen abgerufen werden sollen, kann damit die künstlich erzeugte „Alarmbereitschaft“ die Trainingsleistung enorm verbessern und somit ein Training auf qualitativ hochwertigerem Niveau ermöglichen. Ebenfalls Bicarbonat sollte bei „all out“ Tempoläufen in Betracht gezogen werden, um von einer späteren Ermüdung und besseren H+ Pufferung zu profitieren.

Fazit:

Jeder Athlet ist dazu angehalten, ein gewisses Körperbewusstsein zu entwickeln. Wesentlicher Bestandteil dieser Aufgabe sollte es sein, eine für ihn passende Ernährungsstrategie in den Trainingsalltag zu integrieren. Die hier aufgeführten Richtlinien sind keinesfalls eine Art „Wunderwaffe“, ebenso wenig gibt „Athleten im Reagenzglas“. Um die Kluft zwischen Theorie und Praxis zu schließen, obliegt es jedem Athleten dann selbst mit Handlungsempfehlungen und Richtlinien zu experimentieren und herauszufinden, was für ihn persönlich funktioniert. Die Anzahl der zur Verfügung stehenden Methoden und Ernährungsformen scheint nahezu unbegrenzt

Quellen

  • Burke, L. M., Castell, L. M., Casa, D. J., Close, G. L., Costa, R. J. S., Desbrow, B., Stellingwerff, T. (2019). International Association of Athletics Federations Consensus Statement 2019: Nutrition for Athletics. International Journal of Sport Nutrition and Exercise Metabolism, 29(2), 73–84. https://doi.org/10.1123/ijsnem.2019-0065
  • Jeukendrup, A. E. (2017). Periodized Nutrition for Athletes. Sports Medicine, 47(S1), 51–63. https://doi.org/10.1007/s40279-017-0694-2

  • Slater, G. J., Sygo, J., & Jorgensen, M. (2019). SPRINTING. . . Dietary Approaches to Optimize Training Adaptation and Performance. International Journal of Sport Nutrition and Exercise Metabolism, 29(2), 85–94. https://doi.org/10.1123/ijsnem.2018-0273

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