Atmung & das vegetative Nervensystem – Einfluss auf die Regeneration & Leistungsfähigkeit

Jeder weiß, dass die Atmung ein zentraler Vorgang des menschlichen Organismus ist, ohne den wir nicht überleben könnten. Zum Glück läuft dieser Vorgang, gesteuert durch das Atemzentrum im Gehirn automatisch ab, ohne dass wir darüber dann nachdenken müssen. Jedoch ist die Atmung zugleich der einzige autonome Prozess des Körpers, den wir in gewissem Maße willkürlich beeinflussen können. 

Leider ist dieser Punkt der willkürlichen Beeinflussung in unserer schnell lebenden westlichen Kultur, in der dauerhafter Stress und somit eine konstante Stimulierung des Sympathikus keine Seltenheit sind, in Vergessenheit geraten. Das Resultat ist dann eine schnelle und flache Atmung, was wiederum chronischen Stress fördern und unsere kognitive sowie physische Leistungsfähigkeit als auch unsere Regeneration negativ beeinflussen kann. Ein wahrer Teufelskreis, wie wir daher sehen. Das gute an der ganzen Sache: jeder hat es in der eigenen Hand, diesen Teufelskreis mittels einer bewussten und kontrollierten Atmung sowie einfacher Atemübungen zu durchbrechen. Damit dies gelingt, ist es folglich empfehlenswert das vegetative Nervensystem grob zu verstehen.

Das vegetative Nervensystem

Generell lässt sich das menschliche Nervensystem in das zentrale Nervensystem, welches aus Gehirn und Rückenmark besteht sowie dem peripheren Nervensystem untergliedern. Das periphere Nervensystem besteht wiederum aus dem somatischem und dem vegetativen Nervensystem.

Auf letzteres wollen wir im Folgenden nun den Fokus legen. Das vegetative Nervensystem ist für die Aufrechterhaltung aller lebenswichtigen Funktionen des Körpers verantwortlich und entzieht sich allerdings dabei unserer willkürlichen Kontrolle, weshalb es auch als autonomes Nervensystem bezeichnet wird. Es reguliert zudem das innere Milieu des menschlichen Körpers, indem es die Organleistungen an den jeweiligen Bedarf anpasst. 

Für diese Regulation sind dann die beiden Anteile des vegetativen Nervensystems, der Sympathikus und Parasympathikus verantwortlich. Dabei haben sie meist eine antagonistische Wirkung auf die verschiedenen Organfunktionen. Während hohen und außergewöhnlichen Leistungsanforderungen, wie zum Beispiel einer bedrohlichen Notfallsituation, ist vor allem der Sympathikus aktiv. Jeder hat wahrscheinlich schon einmal von der „fight or flight response“ gehört, die genau diese Aktivierung des Sympathikus in bedrohlichen oder brenzligen Situationen beschreibt. Funktionen wie Herzschlag und Atmung werden dann beschleunigt und die Energiegewinnung angekurbelt. Er ist somit also auch entscheidend im Training oder Wettkampf beim Sport, wenn wir maximale Leistung bringen wollen.  Grundsätzlich verbrauchen wir also durch die Aktivität des Sympathikus vermehrt Energie und Ressourcen. 

Der Parasympathikus hingegen ist vor allem während Ruhephasen oder sehr leichten Aktivitäten dominant aktiv sowie für den Ressourcenaufbau und regenerierenden Prozesse verantwortlich. Der Herzschlag verlangsamt und die Bronchien verengen sich, während Verdauungsprozesse stimuliert werden.

Das Zusammenspiel von Sympathikus und Parasympathikus

Wie wir sehen, ist ein optimales Zusammenspiel zwischen Sympathikus und Parasympathikus für unsere mentale sowie physische Gesundheit, Regeneration und Leistungsfähigkeit, egal ob im Alltag, Job oder Sport unabdingbar. Doch wie Anfangs bereits erwähnt, ist dauerhafter Stress heutzutage keine Seltenheit, wodurch der Sympathikus dann übermäßig aktiv ist und der Parasympathikus nicht mehr dazu kommt seine Funktionen gerecht zu erfüllen. Langfristig kann dies dann zu Erscheinungen, wie Burnout in Bezug auf den Job oder Sport, oder Übertraining im Sport beitragen. Natürlich spielen hierbei noch viele andere Faktoren eine Rolle und es muss und wird nicht immer zu diesen fatalen Folgen kommen. Wir können uns aber sicher sein, dass eine solche Fehlregulation zwischen Sympathikus und Parasympathikus unsere Regeneration negativ beeinflussen wird und daher eine optimale Entfaltung unseres Leistungspotentials verhindert. 

Das sind zwei Punkte, die im Sport maßgeblich für unseren Erfolg, egal ob im Training oder Wettkampf, verantwortlich sind. Wie wir gerade gelernt haben, wollen wir die meiste Zeit außerhalb vom Wettkampf oder Training in einem dominant parasympathischen Zustand verbringen, um unsere Energiereserven wie beispielsweise Glykogenspeicher (richtige Ernährung natürlich nicht vergessen) wiederaufzufüllen sowie alle weiteren wichtigen regenerierenden Prozesse ablaufen zu lassen. 

Zum anderen wollen wir besonders während einem wichtigen Wettkampf, aber auch im Training, wenn wir versuchen eine neue Bestleistung aufzustellen, eine maximale Stimulierung unseres Sympathikus erreichen. Stellen wir uns nun aber vor, dass bereits im Alltag unser Sympathikus nonstop auf Hochtouren läuft, so wird es dann schwer für den Wettkampf oder das Training nochmal diesen extra Schub an Energie zu erhalten, da der Sympathikus bereits vorher an seine Grenzen gerät. Wir können uns also merken, dass wir den Großteil unserer Zeit in einem parasympathischen Zustand verbringen wollen, sodass dann in den wirklich entscheidenden Situationen unser Sympathikus Vollgas geben kann. 

Auch wenn das vegetative Nervensystem unwillkürlich arbeitet, so können wir mit unserer Atmung das Zusammenspiel zwischen Sympathikus und Parasympathikus verbessern.

Der Einfluss der Atmung auf das vegetative Nervensystem

Atmung, Herzfrequenz und Respiratorische Sinusarrhythmie

Die Atmung hat einen direkten Einfluss auf die Herzfrequenz. Die Herzfrequenz wiederum wird vom Sinusknoten, unserem physiologischen Herzschrittmacher vorgegeben, der sowohl vom Sympathikus als auch vom Parasympathikus innerviert wird. Die Impulse des Sympathikus führen infolge zu einem Anstieg der Herzfrequenz. Hingegen bewirken die Impulse des Parasympathikus, welche über den Vagus Nerv weitergeleitet werden eine Abnahme der Herzfrequenz. Betrachten wir uns nun einen Atemzug, so steigt die Herzfrequenz mit der Einatmung, während sie beim Ausatmen wieder abfällt. Mit dem Einatmen stimulieren wir somit unseren Sympathikus, mit dem Ausatmen den Parasympathikus. 

Diese Fluktuation der Herzfrequenz aufgrund der Atmung wird als respiratorische Sinusarrhythmie (RSA) bezeichnet. Modulator für die RSA ist der Vagus Nerv des Parasympathikus, welcher, wie wir gerade gelernt haben, dann das kardiovaskuläre System innerviert. Befindet sich der Körper in einem entspannten (parasympathischen) Zustand, so haben wir größere Fluktuationen in unserer Herzfrequenz, die RSA wird systematisch verstärkt. Bei Stress, egal ob privat, beruflich oder durch Sport (Sympathikus Dominanz), oder auch durch diverse Krankheiten verringern sich dann die Schwankungen in der Herzfrequenz und somit auch die RSA. 

Wir sehen also bereits das Ein- und Ausatmung unterschiedliche Wirkungen auf die Herzfrequenz und folglich das vegetative Nervensystem haben.

Herzratenvariabilität (HRV)

Um die Wirkung weiterer Faktoren der Atmung zu beurteilen, schauen wir uns zuerst die Herzratenvariabilität (HRV) an. Die HRV gibt die Variation des zeitlichen Abstands zweier aufeinander folgender Herzschläge an. Während die Herzfrequenz also nur angibt wie oft das Herz pro Minute schlägt, gibt die HRV hingegen den Abstand zwischen den Herzschlägen an. Sie stellt die Fähigkeit des Herzens dar, sich laufend wechselnden Beanspruchungen zügig anzupassen, indem dann der zeitliche Abstand von Herzschlag zu Herzschlag belastungsabhängig ständig verändert wird. Unregelmäßigkeiten in den zeitlichen Abständen zwischen Herzschlägen während Ruhe bedeutet, dass die HRV hoch ist. Dies ist ein Indikator für einen gesunden Menschen mit einer guten Anpassungsfähigkeit sowie funktionierenden Kontrollmechanismen des vegetativen Nervensystems. Hingegen ist eine niedrige HRV ein Anzeichen für eine verminderte Anpassungsfähigkeit, sowie eine Beeinträchtigung der vegetativen Kontrollmechanismen der Herzfrequenz. 

Nehmen wir als Beispiel eine Ruheherzfrequenz von 60 Herzschlägen pro Minute, so sollte bei einem gesunden Herzen nicht jeder Schlag nach genau einer Sekunde erfolgen, sondern infolge mit Schwankungen von über 100 Millisekunden. Mit Messung der HRV können wir somit beobachten und bewerten wie sich die Atmung dann auf das vegetative Nervensystem auswirkt. Denken wir hierbei an die respiratorische Sinusarrhythmie zurück, so wird der Zusammenhang zwischen RSA und HRV deutlich. Ist die RSA hoch, so wird diese die HRV positiv beeinflussen und daher steigern. Wir befinden uns also in einem dominant parasympathischen Zustand. Wie eben erwähnt, gibt es aber auch noch weitere Faktoren der Atmung, welche unser vegetatives Nervensystem und damit einhergehend unsere HRV beeinflussen können.

Einfluss von Atemmustern

Wollen wir den Einfluss der Atmung noch besser verstehen und letztlich dann auch konkrete Empfehlungen aussprechen, so müssen wir die Atemfrequenz, sowie das Verhältnis von Einatmung zu Ausatmung betrachten. Denn unsere Atmung kann extrem variabel und unterschiedlich sein. Durchschnittlich atmen die meisten Menschen bei einer Rate von 12-20 Atemzügen pro Minute in Ruhe. Gerade bei dem oberen Bereich von 20 Atemzügen pro Minute können wir von einer sehr flachen Atmung ohne ausgeprägte Ein- oder Ausatemphasen ausgehen. Dies ist auf Dauer für die Aktivität des Parasympathikus und somit die gesamte Regulation des vegetativen Nervensystems denkbar ungünstig. Würde man in diesem Zustand die HRV messen, vor allem wenn man langfristig so flach atmet, würde diese dann ziemlich sicher einen niedrigen Wert aufweisen. Wollen wir die HRV nun steigern sowie unsere parasympathische Aktivität verbessern, so ist es unabdingbar bei einer niedrigen Atemfrequenz zu atmen. 

Der Goldstandard aus der Forschung für die Atemfrequenz liegt bei sechs Atemzügen pro Minute, was dann automatisch eine kontrollierte und tiefe Atmung zur Folge hat. Bei dieser Rate atmen wir in unserer sogenannten Resonanzfrequenz, was bedeutet, dass sich Atmung und Herzfrequenz komplett im Einklang befinden. Die Herzfrequenz nimmt zum exakt selben Zeitpunkt der Inhalation oder Exhalation zu oder ab. Zusätzlich treten bei der Resonanzfrequenz die größten Schwankungen in der Herzfrequenz auf, wodurch folglich die RSA und HRV maximiert werden. Dies kann ultimativ beim Stressmanagement helfen und die kognitive Leistung verbessern. Da in vielen Sportarten die kognitive Leistung eine wichtige Komponente der Gesamtleistung darstellt, wird hier die Relevanz der Atmung deutlich. Aber auch ein besseres Stressmanagement ist für jeden Athleten sinnvoll, um nach Trainingseinheiten oder Wettkämpfen für eine optimale Regeneration zu sorgen.

Neben der Atemfrequenz spielt auch das Verhältnis von Ein- zu Ausatmung für die Effekte auf RSA und HRV eine Rolle. Wir erinnern uns, dass während dem Einatmen die Herzfrequenz und Aktivität des Sympathikus steigt und während dem Ausatmen die Herzfrequenz abnimmt sowie die Aktivität des Parasympathikus zunimmt. Durch eine längere Exhalation im Vergleich zur Inhalation können wir also die RSA steigern und die HRV erhöhen. Die Folge ist wieder eine größere Aktivität des Parasympathikus. Das exakte Verhältnis wird zum Teil noch kontrovers diskutiert. Die größte Übereinstimmung in der Forschung weißt aber ein Ein- zu Ausatemverhältnis von 4,5sek/5,5sek auf. Es ist wichtig zu erwähnen, dass es sich hierbei um einen Durchschnitt handelt und das exakte Verhältnis von Person zu Person leicht unterschiedlich sein kann. Generell empfiehlt es sich aber minimal länger auszuatmen als einzuatmen. 

In Verbindung mit einer Atemfrequenz von sechs Atemzügen pro Minute, wurden genau hier die positiven Effekte hinsichtlich Stressmanagement und kognitiver Leistung, sowohl bei gesunden als auch kranken Menschen beobachtet.

Praktische Umsetzung

Nachdem wir nun gelernt haben, wie die Atmung in engem Zusammenspiel mit der Tätigkeit des Herzens die Regulation und Arbeit unseres vegetativen Nervensystems maßgeblich beeinflusst, wollen wir als nächstes erklären, wie wir eine tiefe kontrollierte Atmung am besten in unsere Leben integrieren können. Hierzu werden wir auf spezifische Empfehlungen für das Training und Wettkampf, als auch für den Alltag eingehen. 

Unabhängig davon, in welcher Situation man sich gerade befindet, in Ruhe oder im Rahmen einer sehr leichten Aktivitäten, sollte man nach Möglichkeit immer durch die Nase atmen. Atmen wir durch die Nase, so werden wir automatisch zu einer etwas ruhigeren und tiefen Atmung übergehen und daher auch die Aktivität unseres Parasympathikus fördern. Zudem führt Nasenatmung dazu, dass wir in den gesamten Brustkorb und Bauch Atmen und somit optimal unser Zwerchfell einsetzen. Dies verstärkt nicht nur die Effekte auf unseren Parasympathikus, sondern kann sich daher auch positiv auf unsere Beweglichkeit, Mobilität und Stabilität auswirken. Nicht ohne Grund kommt bei Bewegungsformen wie Yoga eine sehr bewusste Atmung zum Einsatz. Auch während Satzpausen beim Krafttraining und selbst bei leichteren Sätzen oder auch geringen Ausdauerbelastungen können wir versuchen, weiter durch die Nase zu atmen. So bleiben wir möglichst lange in einem dominant parasympathischen Zustand und sparen uns den „Boost“, den unser Sympathikus liefern kann für die intensiven Belastungen auf, in denen wir ihn dann wirklich benötigen.

Training und Wettkampf

Eine tiefe sowie kontrollierte Atmung sollte Bestandteil eines jeden Cool Downs sein, wenn nicht sogar den wichtigsten Teil unseres Cool Downs darstellen. Viel zu häufig rücken hier verschiedenste Tools und passive Modalitäten in den Vordergrund, die laut Hersteller die Regeneration beschleunigen und so langfristig unsere Leistung verbessern sollen. Leider werden dabei die Grundlagen, wie zum Beispiel eine für die Bedürfnisse abgestimmte Ernährung und ausreichender, qualitativer Schlaf, dabei oft vernachlässigt. 

Wurden diese zwei Punkte noch nicht optimiert, so müssen wir über weitere Modalitäten gar nicht nachdenken, da somit eine optimale Regeneration nicht möglich sein wird. Ist die Ernährung und der Schlaf auf unsere Bedürfnisse optimiert, so sollte dann die Atmung unser nächstes Augenmerk sein. Mit einer tiefen und kontrollierten Atmung haben wir nach dem Training den größten systemischen Einfluss auf unseren Körper und können uns dann direkt in einen parasympathischen Zustand zurückversetzen. Damit legen wir die Grundlage für eine möglichst zügige und optimale Regeneration. 

Hierzu empfiehlt es sich, sich in Rückenlage zu begeben und die Füße gegen die Wand aufzustellen oder auf einer Box/Bank abzulegen. Knie und Hüfte sind ca. 90° gebeugt. Diese Position sorgt für eine möglichste rasche Erholung der Herzfrequenz, sowie einen verbesserten venösen Rückstrom zum Herzen. Befinden wir uns nun in dieser Position so atmen wir für ca. 4sek ein und 6sek aus. Wir können natürlich auch das zuvor beschriebene Verhältnis von 4,5sek zu 5,5sek nutzen, welches ohne Taktgeber jedoch schwer einzuhalten ist. Hierfür gibt es aber auch vielzählige „paced breathing“ Apps in denen man den gewünschten Atemrhythmus eingeben kann und dann akkustisch als auch visuell den Takt vorgegeben bekommt. Grobes zählen im Kopf reicht aber auch aus und wird die gewünschten Effekte bewirken. 

Am wichtigsten ist die niedrige Atemfrequenz von 6 Atemzügen pro Minute, sowie eine etwas längere Ausatmung. Diese Atmung führen wir am besten für vier Minuten durch. Kürzere Zeitspannen sind auch effektiv, optimale Ergebnisse wurden aber dann regelmäßig mit vier Minuten in der Wissenschaft erreicht. Eine längere Dauer am Stück wird wahrscheinlich keine großen weiteren Vorteile bieten. Das Einatmen sollte auf jeden Fall durch die Nase stattfinden, das Ausatmen kann auch durch gepresste Lippen durch den Mund stattfinden, da es vielen Leuten schwer fällt lange durch die Nase auszuatmen. Wer sehr geübt ist in einer langsamen kontrollierten Atmung und generell gute Atemmuster besitzt, kann meist problemlos durch die Nase ausatmen.

Diese sogenannte „kohärente Atmung“ ist nicht nur nach dem Training sinnvoll, sondern lohnt sich gerade bei einem Wettkampf, um möglichst schnell zu regenerieren. Gerade bei Sportarten, wie CrossFit, bei denen mehrere Workouts oder Events am selben Tag auf einen warten, ist es wichtig das Maximum an Erholung zwischen den Events rauszuholen. Da während einem Event der Sympathikus auf Hochtouren arbeitet, damit wir unsere maximale Leistung abliefern können, ist es daher umso wichtiger in Ruhephasen die Aktivität des Parasympathikus zu fördern. Ansonsten laufen wir Gefahr zum Ende des Tages oder auch des gesamten Wettkampfs (bei mehrtätigen Wettkämpfen) auszubrennen.

 Genau hier kommt dann noch ein interessanter Anwendungsbereich der kohärenten Atmung während einem Wettkampf ins Spiel. Wer dazu neigt, übermäßig nervös vor einem Workout, Event, Match etc. zu sein, kann auch hier die Atmung nutzen, um sich in einen ruhigeren Zustand zu versetzen. Klar, ein gewisses Maß an Nervosität ist normal und wir brauchen es auch für maximale Leistungen, aber zu früh vor dem eigentlichen Event, kostet es aber nur unnötig Energie sowie Nerven. In einer solchen Situation macht es Sinn, das kohärente Atmen vor dem eigentlichen Warm Up durchzuführen. So können wir möglichst lange einen parasympathischen Zustand fördern. 

Im Laufe des Warm Ups, bzw. im Optimalfall möglichst kurz vor dem eigentlichen Event, erreichen wir dann wieder eine hohe Aktivierung unseres Sympathikus, sodass wir mit der nötigen Spannung starten können, ohne vorher unnötig kostbare Energie verschenkt zu haben. In Sportarten die in großem Maße von der kognitiven Leistung abhängig sind, kann man diese Atmung sogar noch kürzer vor dem Eventstart durchführen, da eine kohärente Atmung diese nachweislich verbessert.

Alltag

Neben dem Einsatz von Atemübungen nach dem Training oder im Wettkampf, lohnt sich übrigens eine langsame kontrollierte Atmung auch  regelmäßig in den Alltag einzubauen. Der Atemrhythmus, als auch das Verhältnis von Ein- zu Ausatmung bleibt dabei genauso wie zuvor erwähnt. So können wir im Optimalfall mehrmals täglich unseren Parasympathikus stimulieren sowie langfristig sogar unsere HRV steigern. Die kohärente Atmung wird immer zu einem kurzfristigen Anstieg der HRV führen, und somit das Stressniveau akut senken, sowie die Konzentration verbessern. Damit diese Effekte aber auch langfristig bestehen bleiben müssen wir diese regelmäßig mehrmals täglich durchführen. 

Nach ca. 3 Monaten, in denen man eine solche kontrollierte Atmung für vier Minuten, viermal täglich (16min pro Tag) durchgeführt hat, lässt sich das physiologische Stressniveau dauerhaft reduzieren. Es lohnt sich also eine kontrollierte Atmung in die alltägliche Routine zu integrieren. Wir wissen aber auch, dass es vielen schwer fallen wird 4×4 Minuten täglich für die Atmung zu investieren. Hier empfehlen wir die kohärente Atmung auf jeden Fall nach dem Training und vor dem Schlafe gehen einzubauen. So haben wir direkt 8 Minuten in unsere Atmung investiert, wer zweimal pro Tag trainiert sogar dann 12 Minuten. 

Vor dem Schlafen gehen, kann die kontrollierte Atmung zu einer besseren Schlafqualität und reduzierter Latenzzeit des Schlafeintritts  führen. Da wir wissen, wie wichtig guter und erholsamer Schlaf ist, klingt dies nach einem geringen Aufwand für exponentielle Vorteile. Hat man es dann geschafft die kontrollierte Atmung regelmäßig nach dem Training und vor dem Schlafen einzubauen, muss man nur noch 1-2mal pro Tag vier Minuten investieren und integrieren. Das gute an der ganzen Sache ist, es ist völlig egal wann die restlichen „Atemeinheiten“ eingebaut werden. Sie können sogar super in den Alltag, wie während dem Kochen oder sogar während dem Fernsehen gucken integriert werden. Für die Effekte ist es nicht entscheidend, in welcher Position wir uns befinden. Lediglich nach dem Training und vor dem Schlafen empfehlen wir eine liegende Position.

Nutze auch du die Vorteile die eine tiefe kontrollierte Atmung bietet

Wir sehen also, zur Atmung gehört viel mehr als etwas Luft aufzunehmen und wieder auszustoßen. 

Gezielt angewendet kann sie kurzfristig, sowie bei konstanter Anwendung auch langfristig die Regulationsmechanismen unseres vegetativen Nervensystems verbessern. Wenn ihr euch das nächste Mal gestresst fühlt oder gerade eine intensive Trainingseinheit hinter euch habt, führt vier Minuten der kohärenten Atmung durch und spürt die Effekte selbst!

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